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Bergpiraten erfolgreich am Cotopaxi

Gipfelsieg am Cotopaxi, 21.12.2014 – 23:00 Uhr klingelte das Handy. Nein kein wichtiges Telefonat war zu erwarten.. Es wurde Zeit, uns fertig zu machen. Noch waren wir auf 3500 m Höhe in der Tambopaxi Lodge. Steigeisen, Eispickel, Stirnlampe usw. wurden nochmals durchgeprüft. Alles o.k. Nun konnte es losgehen, schnell noch einen Kaffee getrunken und schon saßen wir im Jeep, der uns an den Routeneinstieg bringen sollte. Unser Bergführer Faustus war schon richtig sauer, da der Regen kaum einen Blick aus der Frontscheibe gestattete. Das wird ja heiter!!! Nun hatten wir schon 2 Viertausender bestiegen und waren am Vortag schon bis auf 5150m vorangekommen. Für uns hieß es nun: “da müssen wir durch”. Leider hörte der Regen nicht auf, sondern verwandelte sich mehr und mehr in Schnee. Auf 4500 m erreichten wir den Einstieg. Trotz unserer recht guten Höhenanpassung merkten wir sofort, wie dünn die Luft schon hier war. Also vorsichtig ansteigen, nicht außer Atem kommen und auch nicht stehen bleiben. Die Stirnlampen wurden so ausgerichtet, dass der Blick nicht weiter als 3m reichte. Bei dem Schneefall und dem Nebel der uns begleitete, ging es auch nicht anders. Noch ein Blick auf den Zeitmesser 0:45 Uhr. Schritt für Schritt tasteten wir uns aufwärts. Nach 300 Höhenmeter hatten wir Ribas Hütte erreicht. Normalerweise sollte dies der Ausgangspunkt sein, doch leider ist diese letzte Schutzhütte seit längerem geschlossen und keiner weiß, wann sie wieder öffnet. Eine Übernachtung hier wäre sicher sehr hilfreich. Die unsichere Schneesituation zwingt uns erst einmal unterhalb des Gletschers auf Höhe der Hütte ca. 500 m nach Westen zu traversieren, um diesen an seinem tiefsten Punkt zu erreichen. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Die Steigeisen werden ausgepackt, der Sitzgurte angelegt und der Helm mit der Stirnlampe nochmals gerichtet. Hoffentlich haben wir uns in unseren heimischen Alpen auch ausreichend vorbereitet. Meine Gedanken schweifen zurück an die Wildspitze, wo wir das erste Mal mit Steigeisen und Eispickel über einen Gletscher gelaufen sind. Unser Bergführer Faustus trieb uns an, Astrid in die Mitte und ich bildete den Schluss. Gleich der Übergang zum Gletscher wurde durch eine Spalte versperrt, die wiederum mühsam umgangen werden mußte. Jetzt hätte auch der Letzte verstanden, warum am Äquator der Gletscheraufstieg in der Nacht zu bewältigen ist.

Langsam lässt der Schneefall nach, aber der bereits gefallene Niederschlag erschwert unseren Aufstieg ungemein. Ein Schritt, ein Atemzug , bloß nicht stehen bleiben, Seil darf auch nicht zu weit durchhängen, und die Steigeisen müssen ebenfalls fest im Eis halt finden. Nach einer Stunde auf dem Gletscher hatten wir bereits, die vor uns gehende Seilschaft erreicht. Oh, hoffentlich gehen wir nicht zu schnell. Wir müssen unsere Kräfte einteilen und brauchen noch Reserven für den Rückweg. Nachdem wir uns verständigt hatten, passierten wir das Vierer-Team. Als wir die Höhe von 5480m erreicht hatten, schien erst einmal das Problem der Gletscherspalten und deren Überquerung vorerst gebändigt zu sein. Mittlerweile zeigte die Uhr 4:00 und der Weg ist noch unendlich weit.. Nun folgen wir einer angedeuteten Rippe in der Dunkelheit weiter hinauf. Plötzlich geht es nicht steil weiter. Wir durchqueren eine Mulde wieder an einer Eisspalte entlang.

Das GPS zeigt nun 5580m.

Schritt für Schritt zieht der Steilhang wieder an. Die Unendlichkeit ist bestimmt kürzer. Nach einer weiteren halben Stunde in der Gletscherwand lockert sich plötzlich Astrid ihr linker Steigeisen. Keine Ahnung wie das passieren konnte. Mit Mühe konnte ich ihn halbwegs wieder in Position bringen und ein wenig festziehen. Die Kraftanstrengung hierzu ist kaum zu beschreiben. Auf einmal spüren wir das Gefühl der Sonne und tatsächlich leuchtet ein heller Schimmer am Horizont. Selbst die Wolken waren auf einmal nicht mehr da. Mittlerweile sind wir auf einer Höhe von 5650m und die Sonne steigt immer höher. Die Stirnlampen können wir aus machen und uns an dem grandiosen Panorama ergötzen. Zwangsweise trinkt jeder einen halben Liter Tee aus unseren Thermoskannen. Schlussendlich werden die Daunenjacken als fünfte Schicht übergezogen. Die geringe Steiggeschwindigkeit führt zu einer geringeren Energieverbrennung des Körpers und damit wird die Wärmeabstrahlung im Verhältnis immer größer. Nach weiteren 100 Höhenmetern stehen wir vor dem schier übermächtigen Schlusshang, der trotzig in den Himmel ragt. Astrid entscheidet hier auf uns zu warten, da das Steigeisenproblem eine Menge Kraft gekostet hatte und der Rückweg noch eine gewaltige Strapaze darstellt. Gut mit Handwärmer (Thermopats) ausgerüstet konnten wir sie in dem traumhaften Winterpanorama zurücklassen. Bei herrlichsten Sonnenschein gingen wir gegen 6:15 Uhr den gewaltigen Schlußhang an. Zu erst wieder eine Spaltenquerung. Hier zeigte sich, dass unsere langen Eisschrauben aus Deutschland doch einige Vorteile bei der Tiefschneesicherung aufweisen. Nach dem die Senkrechte immer senkrechter wurde, mußte nun mit aller Kraft der Eispickel zum Einsatz kommen. Die Steigeisen hielten kaum noch. Der tiefe Schnee im Steilhang wurde nun wirklich zur Plage und ich begann darüber zu sinnieren, dass ich ab nun an Pulverschnee hassen werde. Lange konnte ich nicht nachdenken, denn auch ich mußte “Führungsarbeit” leisten. Unser Bergführer Faustus schnaufte wütend mit dem Begriff “Scheiße”. Von uns hatte er ihn nicht! Da die Steigeisen schlecht Halt fanden, ging es 3 Schritt aufwärts und 2 zurück. Unsere Steiggeschwindigkeit war grandios, zumal wir mit dem Luftholen gar nicht nach kamen. Nach fast 2h und 150 Meter Höhe ging es nicht mehr weiter. Plötzlich fasten die Steigeisen wieder und wir rutschten nicht mehr rückwärts. Was war geschehen!

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ich begriff, dass wir auf dem Gipfel angekommen waren. Ich reichte unserem Bergführer Faustus fest die Hand und ein sächsisches “Berg Heil” erklang über der Gipfelkuppe des Cotopaxi. 5897 m über NN so hoch war ich noch nie gestiegen. Dann wendete sich Faustus zur Seite und begann sein traditionelles Gebet. Ich nutzte die Zeit und begann die ersten Fotos zu schießen. Ja auch mit 55 kann man dies noch dachte ich mir, Hauptsache Gesundheit. Alles andere ergibt sich. Der Blick schweifte 360 Grad. Ja, wir waren am höchsten Punkt angekommen. Vor mir der Schlund des Kratertrichters und hinter mir die Weite bis nach Quito. Faustus trieb mich nun zur Eile. Wir müssen die größten Gletscherspalten queren, bevor sie aufgeweicht sind. Also noch ein Blick und schon ging es die Steilwand wieder abwärts. Ach du meine Güte! So schnell geht das auch nicht. Schon nach ein paar Metern, komme ich schon richtig ins Keuchen. Nun gut, ich ergebe mich in mein Schicksal und nach 20 Min. haben wir Astrid bereits erreicht. Jetzt nehmen wir noch einen ordentlichen Schlug aus den Themosflaschen, noch ein paar Fotos und schon beginnt das Anseilen wieder. Es geht zwar scheinbar zügig, aber das Atmen ist eine bewusste und äußerst wichtige Handlung. Langsam macht sich ein Kopfschütteln innerlich breit: “das sind wir in der Nacht alles hochgekrochen ???” Die Temperaturen steigen merklich an und der Gletscher wird mehr und mehr sulzig. Immer wieder tauchen vor uns Gletscherspalten auf, so dass wir kleiner Pausen einlegen müssen. Die Schneebrücken über die Eisspalten zu nehmen, ist schon ein Drahtseilakt, aber gut gesichert steigt unser Mut etwas an. Gerade habe ich wieder die Führung übernommen, als plötzlich mein rechtes Bein in der Tiefe verschwand und mich hinterher zog. Glücklicherweise straffte sich sofort das Sicherungsseil. Astrid und Faustus hatten ihre Eispickel sofort tief in das Eis gerammt. Die Spalte schien für mich aber auch zu eng. Ich glaube nicht das ich dort reingepasst hätte. Jedenfalls wühlte ich mich schnell dort wieder heraus. Ich hätte eigentlich die Schneeüberdeckung der Gletscherspalte erkennen müssen, aber die Konzentration ließ schon merklich nach. Speziell derartige Überdeckungen haben uns bereits auf dem Kesselwandferner bei unserem Aufstieg zum Brandenburger Haus mächtig zu schaffen gemacht und wir sollten uns damit auskennen. Nun gut, es ging weiter. Immer wieder von kleinen Schwächepausen unterbrochen, erreichten wir den Gletscherrand.

Eine Frühstückspause brauchten wir zwar nicht mehr einlegen, da es bereits 10:30 Uhr war, dennoch dauerte es einige Zeit bis wir unsere Steigeisen verstaut und unseren aufkommenden Durst erneut gestillt hatten. In Windeseile, etwa so schnell wie eine Windhundschnecke, strebten wir der Schutzhütte zu. Dort angekommen wurden wir mit heißer Schokolade begrüßt. Einige Nationalparkranger hatten diesen heraufgeschleppt. Ich wusste gar nicht, dass ich außer Bier noch andere Getränke genießen kann. Nun gut, ich hatte ja bereits seit 2 Wochen kein schönes Pilsener mehr zu mir genommen, da kann sich schon mal eine Geschmacksverirrung einstellen. Nach 10 Min. Rast nahmen wir die letzen 300 Höhenmeter in Angriff. Der weiche Aschesand ließ uns fast nach unten schweben. Jedenfalls die dämpfende Wirkung tat uns wohl. 10:15 Uhr erreichten wir unseren Ausgangspunkt. Gott sei Dank wieder unten!!! Das Erlebte zu verarbeiten, wird sicher eine ganze Weile dauern, dennoch wir möchten es nicht missen.

Berg Heil, Euer Profi

      

7 Antworten auf „Bergpiraten erfolgreich am Cotopaxi“

Hallo Bergpiraten
Ja, auch ich musste erst mal auf die Landkarte schauen! Cotopaxi, 5897Hm! Wo? Ecuador, Südamerika Westseite, Aquatornähe!
Liebe Astrid und Jörg vielen Dank für Euren Tourenbericht und natürlich auch für die Erfolgreiche Besteigung!!!

Auf den Gipfel zu kommen, ist nur die Hälfte eines Aufstiegs. Auch wieder herunterzukommen, ist alles: Die Ziellinie ist nicht der Gipfel, sondern das Tal.

David Breashears

Liebe Astrid, lieber Jörg,
Auch von uns Glückwunsch zur erfolgreichen Gipfelbesteigung. Es ist wirklich Wahnsinn was ihr da geleistet habt. Aber wie oben geschrieben, dass Ziel ist immer das Tal!

Bis bald… Dana & Mario.

Hallo ihr Beiden,

ganz tolle Leistung. Wir sind sehr stolz auf euch und freuen uns auf unseren gemeinsamen Urlaub.

Alles Liebe aus Frankfurt

Danke für das Interesse und die guten Wünsche an unserer Bergfahrt nach Ecuador.
Morgen sitzen wir (in der Silvesternacht) im Flieger nach Madrid. Unsere Gedanken schweifen natürlich schon zu den nächsten Höhepunkten der Bergpiraten. Leider können wir noch nicht vorausplanen an welcher nächsten Klubtour wir teilnehmen können. Etwas traurig stimmt uns jedoch, dass wir an der Pfingsttour ins Böhmische nicht teilnehmen können. Wir erinnern uns gerne an die 70er und 80er Jahre als die Bergpiraten sich jedes Jahr zu Pfingsten auf den Weg dorthin gemacht haben.
Für all diejenigen, die im nächsten Herbst mit nach Nepal gehen werden, kann ich schon soviel verraten (in Absprache mit Ganesh), dass wir 7 aktive Wandertage im Longtang haben werden. Dies soll auch als Aufmunterung für alle Unendschlossenen dienen.

Berg Heil
Euer Profi

Auch von uns Herzlichen Glückwunsch zur Gipfelbesteigung. Danke für diesen interessanten und spannenden Artikel.

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