Nach unserer Rückkehr in die USA war eines unserer nächsten großen Ziele, nach Yosemiti zu fahren, und nochmals den Half Dome zu besteigen. Vor 16 Jahren war uns dies bereits gelungen, aber die grandiose Landschaft hatte uns so in Bann gezogen, dass wir dieses Abenteuer wiederholen wollten. Uns war klar, dass 10 Stunden Auf- und Abstieg auf uns warteten. Mehrere Besonderheiten galt es jedoch im Vorfeld zu klären. Eine Besteigung des Half Dome ist während der Wander- und Klettersaison nur mit Genehmigung der Nationalparkbehörde gestattet. Dies umfasst den Zeitraum, wo die Sicherungsseile zum Gipfel aufgeständert sind, um auch Ungeübten den Aufstieg zu ermöglichen. Das Genehmigungsverfahren läuft über eine Ausschreibung im März und die Aufstiegstermine erhält man Ende April. Kurzfristige Anfragen können zwei Tage vorher gestellt werden und im Lotterieverfahren kann man eine Aufstiegsgenehmigung unter Umständen erhalten.
Für uns war klar, dass wir außerhalb der Saison und ohne Genehmigung den Aufstieg in Angriff nehmen wollten. Von der Parkverwaltung erfuhren wir, dass der genehmigungspflichtige Zeitraum am 22.05. startet. Wir hatten entsprechend der Wetterbedingungen den 08.05. ins Auge gefasst. Also dass passte schon mal. Nun musste die Logistik etwas vorbereitet werden. Da wir keinen Campingplatz im Nationalpark ergattert hatten, mussten wir außerhalb des Parks einen sinnvollen Platz finden. Das bedeutete mindestens 40 km zum Trailhead Half Dome waren am Morgen zu fahren. Die Wanderung sollte außerdem spätestens 06:30 Uhr beginnen. Auch das Problem konnten wir lösen und auf einen Morgenkaffee brauchten wir ebenfalls nicht verzichten. Am besagten Tag lief am Morgen alles wie am Schnürchen. Aufstehen, Waschen und Kaffeetrinken waren 5:50 Uhr abgeschlossen, so dass die Fahrt in den Nationalpark zum Startpunkt bereits pünktlich 06:30 Uhr abgeschlossen war und wir mit Klettersteigset, Getränken und etwas Essen am Trailhead standen.
Es hatten sich dort doch einige Wanderer eingefunden die bis zum Einstieg der Kletterpassage zu mindestens laufen wollten. Die ersten 2 Stunden bildeten einen guten Auftakt an den Wasserfällen vorbei bis zum Biwakplatz, der bei einer 2..3 Tagestour als Ausgangspunkt genutzt werden konnte. An den Wasserfällen mussten wir unser Regensachen tragen, da das zerstäubende Wasser einen richtigen Regenfilm bildete.

Nach den besagten 2 Stunden legten wir eine kurze Trinkpause ein und konnten feststellen, dass wir bereits 700 Höhenmeter aufgestiegen waren. Also lagen noch über 800 Höhenmeter vor uns. Dennoch fühlten wir uns noch sehr frisch und andere Wanderer hatten uns nicht überholt. Nach weiteren 2h hatten wir den Einstieg der Kletterpassage erreicht. Den schützenden Wald hatten wir verlassen und die Sonne machte sich deutlich bemerkbar. Vor uns lag der nackte Fels mit ein paar Schneerestern, die aber keine Schwierigkeit darstellen sollten. Wir hielten uns nicht lange bei der Vorrede auf, legten unser Klettersteigsets an und schon waren wir am Einstieg. Natürlich mit ausreichend Wasser bestückt sollte es gleich losgehen. Wir hatten noch unsere konditionellen Probleme in Erinnerung vom letzten Mal , da unser Johannes damals uns richtig antrieb und wir ganz schön zu japsen hatten. Dieses Mal hatten wir uns vorgenommen die Kletterstellen langsamer aber kontinuierlicher anzugehen. Klettertechnisch war dies sicher keine Herausforderung, aber auf eine gute Sicherung musste schon geachtet werden.

Bis zum ersten etwas überhängenden Absatz hatten wir nur 10 min benötigt, so dass es mit etwas mehr konditionellen Selbstvertrauen weiterging. Stolz waren wir auf alle Fälle, dass wir weder von Wanderern unten noch Kletterern in der Wand überholt wurden.
Nach einer halben Stunde standen wir dann auf dem Gipfel. Unsere Blicke schweiften über das Yosemite Tal hinüber zum El Capitan. Ein grandioser Anblick , den wir sicher nicht vergessen werden.

Nach ein paar Fotos und einer Trinkpause machten wir uns an den Abstieg. Natürlich ging es in der Kletterpassage, am dort liegenden Stahlseil, recht schnell abwärts.

Nach 5h hatten wir den Half Dome bezwungen und bereits die Kletterpassage wieder hinter uns gelassen. Eine ausgiebige Trinkpause folgte und dann begannen wir den Rückmarsch, natürlich mit einem enormen Glücksgefühl nochmals auf dem Half Dome gestanden zu haben.
Jetzt überholten wir die ersten Wanderer, die nur bis zum Klettereinstieg gelaufen waren. Auch das erfüllte uns mit Stolz. Nach 1 ½ Stunden sahen wir schon den Biwakplatz, wo sich 2 älter Herren bereits ihr Nachlager bereiteten und die Sonnenstrahlen am Nachmittag genossen. Sie hatten sich die Aufgabe gestellt in 3 Tagen bis zum Klettereinstieg und wieder zum Basislager zu wandern. Ein wunderschönes Gespräch über ihre und unsere Bergheimat folgte. Leider mussten wir weiter und so verabschiedeten wir uns nach kurzer Zeit. Gerne hätten wir uns mit ihnen länger unterhalten, aber die Zeit drängte.

Nun spürte ich etwas mehr meine nachlassende Kondition und Astrid übernahm die Führung. An den Wasserfällen legten wir erneute eine Trinkpause ein. Selbst die kleineren Gegenanstiege waren nun schon größere Herausforderungen. Nach 10 h erreichten wir glücklich aber auch erschöpft den Parkplatz. Trotz aller Anstrengung mussten wir jetzt wieder 40 km fahren und den Nationalpark verlassen. Das war dann die letzte „Herausforderung“ des Tages.
Berg Heil
Eurer Profi